Category Archives: Kurzgeschichten

Ticker

+++ 02:13 Uhr: So langsam kehrt Ruhe ein im Zimmer des Benjamin F. Die Nachbarpartys lösen sich nach der dritten Androhung, die Polizei zu rufen, auf. +++

+++ 02:36 Uhr: Nach einigen dramatischen Szenen im Badezimmer, beendet Benjamin F. seinen Tag unter der Anwendung einer Familienpackung Gehörschutz und legt sich ins Bett. +++

+++ 04:11 Uhr: Unter der lauten Verwendung obszöner Begrifflichkeiten, verlässt Benjamin F. bekleidet mit Schlafanzug, Bademantel, Taschenlampe und Wollmütze sein Wohnheimzimmer. +++

+++ 04:14 Uhr: Beim Blick aus dem Fenster können wir Herrn F. dabei sehen, wie er lautstark mit einer Person diskutiert, die einen laufenden Laubbläser betreibt. Möglicherweise der Hausmeister des Wohnheims. +++

+++ 04:29 Uhr: Sichtlich um Fassung bemüht, bestätigt uns Herr F., dass es sich wirklich um den Hausmeister des Wohnheims handelt. Dieser hat zur Zeit bereits die Hälfte der Wiese vom Laub befreit. +++

+++ 04:57 Uhr: Trotz mehrfacher Bitten von Benjamin F. und anderen Wohnheimbewohnern, setzt der Hausmeister das Laubblasen weiter fort. Eine Stellungnahme lehnt er ab. +++

+++ 05:08 Uhr: Nachdem die Wiese vollständig von Laub befreit wurde, ziehen sich die Bewohner in das Wohnheim zurück. +++

+++ 05:11 Uhr: Herr F. sitzt mit einer Tasse Tee auf dem Fensterbrett und beobachtet unter manischem Kichern, wie der Hausmeister einen Sitzrasenmäher auf die Wiese fährt. +++

+++ 05:15 Uhr: Der Hausmeister beginnt mit dem Mähen des Rasens. Anwesenden Experten zufolge ist jedoch höchst umstritten, ob dies den Rasen zu dieser Jahreszeit unbeschadet lässt. +++

+++ 05:19 Uhr: Ein Bewohner des benachbarten Einfamilienhauses schafft es, einige Worte mit dem Hausmeister zu wechseln. Augenzeugen zu Folge habe dieser “verständnisvoll genickt”. +++

+++ 05:42 Uhr: Der Nachbar hat gemeinsam mit dem Hausmeister den Rasenmäher aufgebockt. Gemeinsam lösen sie unter dem mehrfachen Einsatz von Hämmern den Motor aus dem Mäher. +++

+++ 06:02 Uhr: Herr F. verlässt das Wohnheim mit einer gepackten Tasche und der Ankündigung “sich einen schön ruhigen Bahnhof zum Schlafen zu suchen”, sowie einer Erklärung, dass er nur von Irren umgeben sei. +++

+++ 06:28 Uhr: Der Nachbar hat eben in einer Stellungnahme erklärt, dass der Hausmeister von seiner Freundin rausgeworfen wurde “und nicht wusste, was er sonst tun sollte”. +++

Lustige Texte

“Eigentlich müsste ich mal wieder irgendwas Lustiges schreiben” denke ich mir und klicke auf Senden. Zwei Stunden an einer Mail geschrieben, in der ich versuche einer Mutter zu erklären, dass ihr Kind nicht Autist wurde um ihr eine reinzuwürgen. Während ich die Mail zu den Vorlagen kopiere, da ich sie sicherlich noch einmal brauchen werde, komme ich zum Schluss das in letzter Zeit einfach nichts Lustiges passiert.
“Nächste Station: Südkreuz”
Ich klappe mein Netbook zu und gehe zur Tür. Vor mir Frau, Kind und Kinderwagen im Leopardenmuster. Ich überlege einen kurzen Moment was von alledem schlimmer aussieht bis ein gleichgemusterter Mann sich an mir vorbeidrängt und mir diese Entscheidung abnimmt.


30 Minuten später stehe ich mit einer kalten Bratwurst und einer warmen Cola auf einer Wiese und frage, ob man denn in die Kirche rein könne, die das Denkmal ist, um das sich dieses Bohei zu drehen scheint. “Nicht alleine, das geht nur mit einer Führung.” Auf meine Nachfrage, wann denn die nächste Führung sei, zuckt er nur mit den Schultern “Heute überhaupt nicht. Nächste Woche, irgendwann”. Nachdem ich meine Wurst gegessen habe gehe ich an den Plakaten für den Tag des offenen Denkmals vorbei zu meinem Fahrrad.


Mit dem Wohnungsschlüssel in der Hand stehe ich 2 km später einem polnischem Wanderarbeiter gegenüber, der an meiner Zimmertür rüttelt. Während er mich anschreit was ich in seiner Wohnung will und warum ich einen Schlüssel habe streiten sich in meinem Kopf zwei Stimmen, ob ich ihn fragen sollte warum er nur eine Wollmütze trägt, oder ob ich doch eigentlich ganz froh ob der Tatsache sein sollte dass ich das nicht weiß. Bei der Frage, warum er meine Zahnbürste im Mund hat erübrigt sich diese Diskussion.


Die zweite Stimme gewann diese Diskussion und damit entgeht einem Therapeuten vermutlich ein sehr lukratives Geschäft. Beim Versuch mir Abendessen zu machen werde ich fast von einer Sackkarre mit Bierkisten überfahren. Ein mies gelaunter Fahrer pflaumt mich an ich solle mal nicht im Weg stehen, dass sei hier keine öffentliche Küche. Mein neuer Mitbewohner kommt mit meinem Rasierer in der Hand aus dem Bad heraus. Wenn ich schon in seiner Wohnung sitze solle ich doch nicht im Weg rumstehen, er erwarte schließlich Gäste. Während er mich fragt wo ich denn den Rasierschaum habe setze ich einen neuen Rasierer auf meine innere Einkaufsliste.


Es hämmert seit einer halben Stunde an meiner Zimmertür, nach einem langem Blick auf die Uhr und noch längerer Überlegung komme ich zum Schluss dass es vermutlich halb Sechs am Morgen ist. Nach einer weiteren Überlegung komme ich zum Schluss, dass die “AUFMACHEN” brüllende Stimme keinen polnischen Akzent hat und öffne die Tür. Der Hausmeister möchte wissen warum meine Spüle bei ihm vor der Bürotür steht. Nach einigen Minuten Nachdenken zucke ich mit den Schultern und klettere über zwei Skinheads hinweg zum Bad. Dort treffe ich meinen unbekleideten und unter der Dusche schlafenden Mitbewohner. Die beiden Stimmen in meinem Kopf scheinen wacher als ich zu sein und beginnen mit einer munteren Diskussion, ob ich wissen will, ob vor “unbekleidet” ein “wieder” oder ein “immer noch” gehört. Sie werden vom schreienden Hausmeister unterbrochen, dem einer der Skinheads grade auf die Füße gekotzt hat.
Als ich wieder zurück in mein Zimmer gehe höre ich, wie der Wanderarbeiter den Hausmeister anbrüllt, was er denn in seiner Wohnung zu suchen hat.

Versprechen

Er musste ihr versprechen nichts Unüberlegtes zu tun, bevor sie ihn gehen ließ.
Als er sich eine Stunde auf dem Geländer der alten Eisenbahnbrücke stand, war alles genau überlegt. Er hatte diese Stelle über Wochen hinweg ausgesucht. Dort wo er aufprallen würde, hatte er in den Vergangenen Woche keine Spur von Menschen ausmachen können. Das Einzige was dort unten lebte war ein Haufen Ameisenkolonien und die würden dafür sorgen, dass nicht mehr genug von ihm übrig bleiben würde. Er wollte nicht auch noch über sein Leben hinaus Menschen belasten.

Als er sich umdrehte und sich mit dem Rücken zuerst fallen ließ, sah er für den Bruchteil einer Sekunde in ihr Gesicht und sein Fehler wurde ihm bewusst:
Er hatte nicht an die Möglichkeit gedacht, dass sie ihm folgen könnte.