Ziellos

Es hat einige Vorteile, in Brandenburg zu wohnen. Insbesondere nachts. Dazu gehört keinesfalls der Umstand, dass man nach sechs hier kaum noch wegkommt und das nächste Fast Food für eine angemessene Hungerattacke um drei Uhr morgens erst ein Bundesland weiter zu bekommen ist.
Was jedoch eindeutig dazu gehört, ist, dass man hier nach 22 Uhr nur noch drei Sorten von Menschen begegnet. Bestattern, Polizisten und anderen Studenten. Und das auch nicht sonderlich häufig und so, dass man sie früh genug hört, um ihnen aus dem Weg zu gehen. Es ist ruhig hier draußen. Verlässt man das Wohnheim, schlägt sich durch einige Hecken und läuft dann eine Weile durch ein Waldstück, kommt man irgendwann zu einer Straße, die nicht viel heller ist als das Waldstück zuvor. Nach einer weiteren Weile Straße kommt man dann zu einigen Brennnesseln hinter denen Schienen liegen.
Wie so vieles andere hier, waren auch sie mal viel besser in Schuss. Einige der Schienenstränge bestehen nur noch aus ihren Schwellen, auf die man treten kann, um weiter zu kommen. Wenn man nicht weiter kommen will, kann man sich auf sie setzen und könnte vorbeifahrende Züge beobachten. Sofern um diese Uhrzeit Züge fahren würden. So sitzt man da und schaut die Schneise entlang Richtung Horizont. Im Blick nach links sieht man Sterne. Mehr Sterne, als man das durch die Stadt, in der man aufwuchs, gewohnt sein kann. Der Horizont am gegenüberliegenden Ende der Schneise ist gelb erleuchtet von den Lichtern eines anderen Bundeslandes.
So sitzt man da. Zwischen Berlin und dem Nirgendwo – oder zwischen Berlin und den Sternen. Je nach der Laune, in der man grade ist. Und man wartet darauf, dass der 5:30-Uhr-Güterzug vor einem vorbei rauscht, um mit dem Verklingen seiner Geräusche sich selbst auf den Rückweg in ein Bett zu machen.

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