Als ich zurück ins Wohnheim komme, ist es zwei Uhr. Schon als sie am Nachmittag Bierbänke und Soundanlage aufbauten, kam ich zum Schluss, es sei besser zu fliehen. Eine Freundin nahm mich freundlicherweise auf. Gegen ein Uhr musste sie jedoch schlafen und ich wieder nach Hause. In meiner Abwesenheit wuchs die Party um drei Laser, zwei Nebelmaschinen und eine undefinierbar große Menge von Menschen.
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Train – Wie immer, wenn ich nach einer halben Stunde wachliegen zu dem Ergebnis komme, dass ich ohnehin nicht schlafen werde, laufe ich im Gelände umher. Dazu muss ich zunächst einmal durch die Wand aus teilnahmslos tanzenden Menschen, Nebel und Licht. Dann über drei, ins Smartphone tippende, Studenten die Treppe hinauf. Von der ersten Etage aus habe ich, an eine Wand gelehnt, einen guten Überblick über alles unter mir.
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Lila Wolken – Nach fünfzehnn Minuten habe ich die Dynamik dieser Szenerie in etwa erfasst. Die Wiese vor meinem Fenster ist die Chill-Out-Area. Weit genug vom Eingang mit seiner Tanzfläche und der Waschküche, respektive Bar, entfernt und trotz allem nah genug an der Wand der Hochschule, die an diesem Abend als Toilette fungiert.
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36 Grad – Ich sitze direkt über der Nebelmaschine. Irgendwie riecht der Nebel komisch und ich werde leicht benommen. Ich gehe noch eine Etage nach oben. Unter mir füllt und leert sich die Tanzfläche periodisch. Immer wieder wechseln Gruppen zwischen Tanzfläche und Wiese. Andere auch gleich über den Parkplatz in das Gehölz dahinter. Nach einer Weile kommen sie dann wieder und verschmelzen wieder mit den Menschen auf der Tanzfläche.
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What is Love – Ein Einzelner taumelt quer über die Wiese und die Tanzfläche. Immer wieder gibt ihm die Menge genug Freiraum, so dass er niemanden anrempeln kann. Als er plötzlich einen Biertisch umwirft und einige Dutzend leere Flaschen über die Wiese – respektive Chill-Out-Area – verteilt, schwindet der Freiraum und eine undurchdringbare Mauer aus eben noch Feiernden treibt ihn in Richtung der S-Bahn-Station.
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Everybody – Drei Glatzköpfige stehen abseits der Tanzfläche. Regungslos beobachten sie das Treiben. Aller fünf Minuten wechseln sie ein paar Worte.
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The Riddle – Der taumelnde Einzelgänger kehrt zurück. Drei der Leute, die ihn Richtung S-Bahn geleiteten, beobachten ihn aus der Ferne. Als er einen der Biertische davonträgt, schreiten sie ein. Ohne besonderes Zutun der Drei landen Biertisch und Einzelgänger auf dem Boden. Schnell wird der Biertisch zurück- und der Einzelgänger in die stabile Seitenlage gebracht.
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Irgendetwas Lautes – Direkt unter mir versucht ein Student seit einer Stunde meine Nachbarin zu überzeugen, dass seine Hände von Natur aus unter ihr Top gehören. Sie ist die einzige, die ich bis zu diesem Punkt noch keinen Alkohol konsumieren sah. Nach intensiver Argumentation kann sie sich doch mit dem Gedanken anfreunden und verhandelt nun ihrerseits die Position ihrer Hände. Zehn Minuten später verschwinden sie gemeinsam in Richtung ihres Zimmers.
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Sowas wie Musik? – Die Wiese/Chillout Area leert sich langsam. Die Tanzfläche nicht. Vereinzelt werden Tische und Bänke abgeräumt und weggebracht. Plötzlich fällt die Musik aus. Nach ersten skandierten Morddrohungen gegen den DJ beginnt die Menge „Marmor, Stein und Eisen bricht“ zu singen. Über den Refrain kommen sie jedoch nie hinaus. Während sich das Textproblem nicht beheben lässt, verschwinden weiter Tische. In der Zeit in der die einen noch singen, beginnen andere Menschen nach ihren Jacken zu suchen. 45 Iterationen “Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht!” später beginnt die Anlage wieder zu spielen. Im Schein des nahenden Sonnenaufgangs wird die vom Musikausfall ausgelöste Aufbruchstimmung jedoch kaum abgefangen. Menschen verabschieden sich voneinander. Immer mehr Personen stehen auf der Tanzfläche, statt sich zu bewegen. Die Bewegungen der wenigen Tanzenden werden sparsamer. Jemand trägt eine Couchecke durch die Menge.
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Etwas das ein kaputtes Xylophon sein könnte – Die Mengen lichtet sich. Sowohl die der Menschen auf der Tanzfläche, als auch die der Bierflaschen auf der Wiese. Mehrere Studenten fahren mit Ikea-Einkaufswagen umher und sammeln Leergut ein. Die Musik wird für die Suche nach dem Eigentümer eines Samsung Galaxy S5 unterbrochen. Die wenigen, die noch tanzen, bemerken nicht einmal, dass die Musik dafür ausgestellt wurde. Auch Licht- und Nebelmaschinen verschwinden beinahe unbemerkt.
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Wer jetzt noch da ist, ist entweder bewusstlos oder räumt leere Flaschen weg. Zwischen diesen Gruppen scheint es jedoch einige Grauzone und Überschneidung zu geben. Irgendjemand fragt mich, ob alles gut sei. Ich nicke nur und tippe meine Beobachtungen weiter auf das Display. Während unter mir aufgeräumt wird, bleibe ich noch eine Weile sitzen und schaue der Sonne dabei zu, wie sie über dem Uni-Gebäuden aufgeht.